Oberbürgermeister Mentrup wegen Platanenfällung unter zunehmendem Druck: Wie ernst war sein Gesprächsangebot?
Viel Rückenwind in Form von unterstützenden Online-Kommentaren und ganzer Körbe an Unterschriftenpostkarten erfuhren die Anwohner*innen, die in den letzten Tagen die rodungsbedrohten Platanen in der Karlsruher Kaiserstraße aus Protest gegen ihre geplante Fällung besetzt hielten. Auf den öffentlichen Druck reagierte Mentrup scheinbar mit einem Gesprächsangebot an die Anwohner*innen – doch nun mehren sich Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Angebots.
Wie die Anwohnerinitiative mitteilt, hat sich das Oberbürgermeisterbüro bislang nicht bei ihr gemeldet. Von der Beteuerung, ein Gespräch zu suchen, erfuhren die Kletter*innen bislang ausschließlich aus der Presse. Zeit für ausführliche Pressemitteilungen hatte das OB-Büro, doch sogar auf direkte Nachfrage folgte keine Gesprächsbestätigung, nicht mal eine kurze Notiz. An sein angebliches Gesprächsangebot erinnern die Kletter*innen Herrn Mentrup nun mit einer erneuten Aktion in der Höhe.
Wird nur ein Baukran der Kaiserstraße Schatten spenden?
Gegen 4:00 Uhr früh kletterten am heutigen Mittwochmorgen (23.8.2023) zwei der Anwohner*innen auf einen Kran in unmittelbarer Nähe der rodungsbedrohten Platanen (Lammstraße zwischen Zirkel und Kaiserstraße) und brachten dort ein Banner mit der Aufschrift “Gesunde Bäume für ein gesundes Stadtleben” an.
Mit einem Augenzwinkern erklärt Mira König (16) von der Anwohnerinitiative: “Wenn Oberbürgermeister Mentrup an seiner Fällungsfantasie festhält, wird nur noch der Kran der Kaiserstraße Schatten spenden.” Damit bezieht sich König auf eine Aussage von Mentrup selbst (Seite 2), der Anfang Dezember 2022 bestätigte: “Die Jungbäume [gemeint sind die geplanten Zürgelbäume – die Red.] können in den ersten 20 bis 30 Jahren sicherlich nicht die Ökosystemleistungen der […] Platanen kompensieren.”
Die Bauarbeiten können auch mit dem Banner am Kran stattfinden, das war den Anwohner*innen bei der Aktionsplanung sehr wichtig. Zudem möchten die Kletter*innen das Banner auch wieder entfernen, sobald Oberbürgermeister Mentrup die Botschaft wahrgenommen hat.
Anwohner: Oberbürgermeister soll ehemaligen Gartenbauamtsleiter anrufen
Gegenüber der Deutschen Presseagentur hatten die Anwohner*innen angegeben, keine Bedingungen an den Gesprächstermin mit dem Oberbürgermeister zu knüpfen. An dieser Zusage wollen sie auch jetzt festhalten. “Wir formulieren lediglich einen Wunsch”, so König: “Wir wünschen uns, dass Oberbürgermeister Mentrup zur Terminvorbereitung bei seinem ehemaligen Gartenbauamtsleiter anruft. Dieser kann bestätigen, dass Platanen und die als Argument vorgeschobenen Leitungen harmonieren.”
In der Tat hatte Prof. Dr. Robert Mürb (CDU), der über 15 Jahre lang das Karlsruher Gartenbauamt leitete, schon Mitte Dezember 2020 die Stadtverwaltung auf ihren Irrtum hingewiesen: Die Stadt verteidige ihre umstrittenen Rodungspläne mit einer veralteten DVGW-Richtlinie. In dem aktuellen Regelwerk “Richtlinien für Leitungsverlegungen im Wurzelbereich von Bäumen” formuliere der verantwortliche Ingenieurfachverband für Versorgungsleitungen dagegen verbindliche Hinweise für die Verträglichkeit von Leitungen und Wurzelwerk.
Kein Groll gegen Oberbürgermeister: Irren ist menschlich
Zugleich betonten die Anwohner*innen in einer Mitteilung, die Arbeit des Oberbürgermeisters wertzuschätzen. “Irren ist menschlich”, so König. Im Dschungel der veralteten und aktuellen Richtlinien sei nachvollziehbar, wenn Irrtümer unterlaufen. Aber: “Noch steht ein Großteil der Platanen. Wenn der Oberbürgermeister nun die aktuelle DVGW-Richtlinie zur Grundlage seiner Planungen macht und so die Platanen erhält, gewinnen er und die gesamte Stadt.”
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Nachtrag
Stellungnahme (13:40 Uhr): Kranbanner hat Erfolg, OB Mentrup reagiert auf Druck
Die nächtliche Kletteraktion beim Kran hatte Erfolg, Oberbürgermeister Mentrup reagiert auf den Druck: Gerade erhielten wir einen Anruf aus dem OB-Büro; nach der früheren Funkstille und indirekten Kommunikation nur via Deutsche Presseagentur wurde uns nun das Gesprächsangebot bestätigt. Das Gespräch wird voraussichtlich in der kommenden Woche am Dienstag um 14:00 Uhr stattfinden.
Wir hoffen, dass:
- … OB Mentrup diesen Termin tatsächlich realisiert. Bei so wichtigen Themen, die für die Bevölkerung sehr bedeutsam sind, ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben. Einen früheren vereinbarten Termin unserer Kolleg*innen beim Klimabündnis am 14.2.2023 hatte OB Mentrup kurzfristig abberaumt, daher bleiben wir skeptisch, aber vorsichtig optimistisch.
- … OB Mentrup im Vorfeld unseres Gesprächs den Kontakt zu seinem ehemaligen Gartenbauamtsleiter Prof. Dr. Robert Mürb (CDU) sucht. Dieser kann den Irrtum aufklären: Die Stadtverwaltung um OB Mentrup nahm eine veraltete DVGW-Richtlinie als Grundlage ihrer Planungen. In dem aktuellen Regelwerk „Richtlinien für Leitungsverlegungen im Wurzelbereich von Bäumen“ formuliert der verantwortliche Ingenieurfachverband für Versorgungsleitungen dagegen verbindliche Hinweise für die Verträglichkeit von Leitungen und Wurzelwerk.
- … wir die Stadt nicht mit einem Bürgerbegehren konfrontieren müssen: Ganz ohne von Tür zu Tür zu gehen oder konzertiert in der Innenstadt mit Infoständen präsent zu sein, kamen ja vergangenes Jahr schon knapp 4.000 Unterschriften zusammen. Wenn der Kontaktmit Herrn Mürb den Irrtum nicht aufzulösen mag, würden wir formell den Weg des Bürgerbegehrens beschreiten.
Nach dem Rückhalt, den wir in den letzten Tagen erlebten, sind wir zuversichtlich, die erforderlichen 17.000 Unterschriften zügig sammeln zu können.
Wir hoffen aber, dass Herr Mentrup von sich aus den Irrtum auflöst und wir die Stadt nicht mit einem Bürgerbegehren konfrontieren müssen. Wie in der PM beschrieben: Wir haben Verständnis für Irrtümer dieser Art, Herr Mentrup hat einen anstrengenden Job, da kann das passieren. Aber wenn nötig, werden wir ein solches Bürgerbegehren mit aller Kraft durchziehen.
Das Klimabündnis hat dazu ja mit dem Fuß- und Radentscheid bereits Erfahrung gesammelt. Und die dafür beauftragte Kanzlei hat in einem informellen Vorgespräch auch schon angedeutet, den Text des neuen Bürgerbegehrens juristisch prüfen zu können.