Anwohner*innen kündigen neue Aktion an
Bäume statt Beton – von unten bis oben mehr Grün in Karlsruhe!
Die Platanen in der Kaiserstraße werden fallen. Das haben die Stadt und das von ihr in Auftrag gegebene Gutachten deutlich gemacht. Sie hätten aber nicht fallen müssen, wenn die Stadt nicht schon vor Jahren gravierende Planungsfehler gemacht hätte, so ehemalige Platanenbesetzerin und Lehramtsstudentin Lisa E. (22). “Fehler, die in zukünftigen Projekten vermieden werden müssen.” Nach den Planungsfehlern seien nun die Kosten für den Platanenerhalt zu hoch. Nach ihrem Gespräch mit dem Oberbürgermeister sollten Taten folgen und Geld in effektive Maßnahmen zum Klimaschutz und Baumerhalt investiert werden.
Aus diesem Grund richtet sich die Anwohnerinitiative “Karlsruher Platanen bleiben” inhaltlich neu aus. Die ehemaligen Platanenbesetzer*innen fordern nun ein gesamtheitliches Konzept zur Begrünung der ganzen Stadt Karlsruhe, eine qualifizierte Grünsatzung für das gesamte Stadtgebiet. Den Auftakt machte am heutigen Samstagmorgen (18.11.) eine Doppelaktion in Höhe und am Boden.
Ein solches Konzept soll unter Beachtung des Bestands bei jeder Umbaumaßnahme dafür sorgen, dass weniger Flächen versiegelt oder sogar einzelne Flächen entsiegelt werden und mehr Grünflächen angelegt und Baumpflanzexperimente angegangen werden. Denn: “Der Rodungswut der Stadt muss ein Ende gesetzt werden.”, so E. In den vergangenen Wochen wurden sowohl sechs der noch stehenden Platanen in der Kaiserstraße als auch der gesamte Baumbestand vor dem Landratsamt in der Nähe des Ettlinger Tors gerodet.
Eine Grünsatzung für das gesamte Stadtgebiet war schon Gegenstand eines offenen Briefs an die Stadtspitze. Das Thema hat aktuell eine besondere Brisanz, da kommende Woche am Dienstag und am Mittwoch die Einzelberatungen des Gemeinderats zum Doppelhaushalt 2024/2025 stattfinden. E. ist nicht nur besorgt, dass die Stadt unter dem Eindruck der bekannten Haushaltsprobleme am falschen Ende spart und wichtige Zukunftsinvestitionen zu Klimaschutz streicht. Sondern auch, dass Gelder, die für Klimaschutz vorgesehen waren und dafür verwendet werden sollen, stattdessen lediglich für Klimakrisenanpassungsprojekte verwendet werden.
Die spektakuläre Aktion bestand aus zwei Teilen
Hoch über den Köpfen der Bürger*innen von Karlsruhe ließen die Anwohner*innen ein Banner vom Dach des Einkaufszentrums Ettlinger Tor ab. Das Banner trägt die Aufschrift “Karlsruhe trauert” und zeigt zwei Platanen neben großen schwarzen Kreuzen. Damit soll aller Bäume gedacht werden, die in Karlsruhe durch politischen Unwillen oder mangelhafte Planung fallen mussten. “Jeder gefällte Baum fehlt dem Karlsruher Mikroklima, macht die Stadt etwas grauer und trister, nimmt ihr ihre beeindruckende Biodiversität”, erklärt Paul L., Student am KIT.
Parallel ergänzte die Anwohnerinitiative ein augenzwinkerndes Element, indem sie zwei Pflanzkörper mit Baumsetzlingen auf dem Gehweg einzementierte. “Solange die Stadt Karlsruhe alles rodet, was nicht niet- und nagelfest ist, müssen wir Baumpflanzexperimente halt festbetonieren”, so L. “Wir versuchen der Stadt hier entgegenzukommen und steuern etwas Beton für das neue Stadtbild bei. Wenn es nach den Plänen der Stadt geht, wird Karlsruhe in Zukunft ja sehr viel Beton verbrauchen.”
An den Baumsetzlingen hängen zwei Schilder mit der Aufschrift “Jeder Baum zählt” und der bekannten Weissagung der Cree: “Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, die Luft verpestet, werdet ihr merken, dass man Geld weder essen noch atmen kann!” L. fordert, dass Umweltschutz und Klimaschutz auf keinen Fall gegeneinander ausgespielt werden. In einer eskalierenden globalen Klimakatastrophe sei es wichtig, Städte für den Temperaturanstieg zu wappnen, beispielsweise durch neue Baumpflanzexperimente und den Erhalt ausreichender Baumbestände. Das dürfe aber keinesfalls zulasten richtiger Klimaschutzmaßnahmen, die den Temperaturanstieg verlangsamen oder sogar aufhalten sollen, gehen. “Sonst wird es ja immer noch heißer und es kommt zu mehr Extremwetterereignissen. So gefährdet der Klimakollaps wieder die Bäume. Deshalb brauchen wir auch für den Erhalt unserer Bäume endlich ausreichende Klimaschutzmaßnahmen!” erklärt L.
Mit ihren Protesten in verschiedenen Höhen fordert die Anwohnerinitiative die Stadt Karlsruhe auf allen Ebenen auf, sich für eine umfassende Begrünung von oben bis unten einzusetzen. “Die gefällten Bäume kommen nicht wieder. Wir schon”, kündigt E. an.
Vorankündigung vom Vortag
Es ist selten, dass Anwohner*innen Fällungspläne ihrer Stadt für so falsch halten, dass sie sie symbolisch für mehrere Tage besetzen. Genau das taten die Mitglieder der Initiative “Karlsruher Platanen bleiben”, tagesschau.de berichtete. In kurzer Zeit kamen mehrere tausend Unterschriften für den Erhalt des Stadtgrüns zusammen, doch in zwei unangekündigten Spotan-Aktionen machte die Stadt kurzen Prozess und zerstörte gleich sechs der beliebten Platanen. Nun meldet sich die Initiative erneut zu Wort.
Unter dem Motto “Von oben bis unten mehr Grün in diese Stadt” kündigt die Initiative für die Nacht vom heutigen Freitag auf den morgigen Samstag (18.11.2023) eine Aktion an. “Es geht um Kritik aus mehreren Teilen, es ist wieder Aktion und Höhe dabei und auch noch was ganz neues”, erklärt Paul L. (20), der am KIT studiert. “Wir kommen der Stadt sogar entgegen und nutzen mal so richtig viel Beton, genau so, wie es die Stadt die ganze Zeit machen möchte.”
Deutlicher möchten die Anwohner*innen in ihrer Vorankündigung nicht werden, um den Aktionserfolg nicht zu gefährden. “Das ist eine Katastrophe. Bis die neuen Bäume groß sind, muss man 20 Jahre warten”, erklärte nach der zweiten Hauruck-Aktion eine Friseurin gegenüber den BNN. “Sollen wir uns als Bürger jetzt selbst drankleben?”, fragte Rhenam von Krosigk, ein Kunde von gegenüber, die BNN-Reporter. Entsprechend wichtig sei Kritik an der Stadt, so Lehramtsstudentin Lisa E. (22). “Ohne direkte Aktionen versteht Oberbürgermeister Mentrup den Wert von Schatten und Mikroklima nicht”, glaubt sie.
Mit der neuen Aktion fordern die Anwohner*innen, dass aus den Fehlern im Umgang mit den Platanen gelernt wird und die Stadt ein ganzheitliches Grünkonzept aufstellt und umsetzt. Außerdem dient die Aktion der symbolischen Trauer um die bereits zerstörten Platanen.
Bei der neuen Aktionen machen zwei Anwohner*innen mit, die das Klettern bei einem der öffentlichen Workshops der Platanenbesetzung lernten. “Immer mehr Menschen denken darüber nach, wie sie ihre Zeit für die dringend benötigte Kurskurrektur der Stadtregierung investieren können”, freut sich E. Interessierte finden auf der eigens eingerichteten Website karlsruher-platanen-bleiben.de Kontaktdaten, falls sie selbst aktiv werden möchten.